Kulturschaffende Begegnungen auf dem 6. Kasseler Jugendsymposion

Arthur Zajonc mit SchuelerInnen beim 6. Kasseler Jugendsymposion

Stuttgart/Kassel, 12. Juni 2012/CMS. Islam, Spiritualität und Wissenschaft, die Klärung des Kunstbegriffs, Kulturleistung und notwendige Wandlung des Christentums, die globale Waldorfbewegung in den Kulturen der Welt und der gemeinsame Besuch der dOCUMENTA (13) standen im Zentrum dieses Jugendsymposions zum Thema „Kulturen“, bei dem rund 200 WaldorfschülerInnen aus ganz Deutschland angereist sind, um vom 7. bis 10. Juni 2012 vier Tage intensiv interdisziplinär an diesen drängenden Zeitfragen zu arbeiten.

Arthur Zajonc proklamiert einen neuen, „dritten“ Weg
Der international renommierte Physikprofessor und durch seine öffentlichen Gespräche mit dem Dalai Lama bekannte Spirituelle Arthur Zajonc aus Amherst/Massachusetts forscht seit Jahrzehnten an der Frage, wie Wissenschaft und Spiritualität miteinander verbunden werden können. „Materialismus und Glaube allein sind fundamentalistische Wege, die nur ein Dogma propagieren. Stattdessen brauchen wir eine kontemplative Wissenschaft, aus der Einsichten gewonnen werden“, so der Direktor des Mind and Life Institutes. Dort erforscht man zum Beispiel von außen, was während der Meditation im Inneren vor sich geht und welche Veränderungen sich auf physiologischer Ebene ergeben.

Die Jugendlichen diskutierten begeistert darüber, wie dieser dritte, integrative Weg aussehen und was jeder einzelne dafür tun könne. Eine mögliche Lösung, die Freundschaft über Kulturen und Generationen hinweg, wird auf dieser Veranstaltung bereits regelmäßig und lebendig umgesetzt – dieses Mal erstmalig auch mit SchülerInnen aus dem europäischen Ausland.

Interkulturalität als Selbstverständlichkeit
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman A. Mazyek, sprach über mögliche Ansatzpunkte für interkulturelle Begegnungen innerhalb Deutschlands und der Welt und stellte sich den kritischen Nachfragen der SchülerInnen zu Auslegungen des Koran oder zur Rolle der Frau im Islam. Mechthild Oltmann, Pfarrerin der Christengemeinschaft, sprach über die notwendige Wandlung des Christentums hin zu mehr Dialog zwischen den Kulturen und Offenheit gegenüber neuen Strömungen und schlicht der guten Tat. Sie beantwortete die Frage eines Schülers dahingehend, dass „es keinen Unterschied macht, ob ein Christ oder ein Atheist eine gute Tat vollbringt“, die Tat und ihre positive Wirkung bliebe doch die gleiche. In den Arbeitsgruppen „Qi Gong und Eurythmie“ oder „Kultur in der Kommunikation“ sind verschiedene Kulturen aufeinander getroffen und selbst erfahren worden. Nana Göbel vom Vorstand der Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners hat zudem in ihrem Vortrag das Programm „Weltwärts“ erwähnt, das entscheidend zur Völkerverständigung beiträgt und allen Jugendlichen nach der Schule offen steht, um die weltweite Waldorfbewegung zu unterstützen.

Dr. Albert Schmelzer, Leiter des Instituts für Waldorfpädagogik, Inklusion und Interkulturalität, gelang es in seinem Abschlussvortrag nicht nur, die vielfältigen im Laufe der Tagung behandelten Einzelaspekte zusammenzuführen. Auch seine Schilderungen der Arbeit an der von ihm gegründeten interkulturellen Waldorfschule in Mannheim haben den SchülerInnen lebendig vor Augen geführt, wo Interkulturalität beginnt: „Es geht um das ernsthafte Interesse am anderen Menschen und gerade an dem, was uns fremd erscheint“, so Schmelzer. Dies führte zum spontanen Wunsch einiger SchülerInnen, die Arbeit der interkulturellen Waldorfschule näher kennen zu lernen und zu unterstützen.

Weltkunstausstellung als inspirierender Abschluss
Am Sonntag haben alle SchülerInnen gemeinsam die gerade begonnene dOCUMENTA (13) besucht und in Begleitung von so genannten „Worldly Companions“ den Ausstellungsort Karlsaue erforscht. Angeregt durch den vorangegangenen Vortrag von Prof. Dr. Jochen Krautz (Alanus Hochschule Alfter) zum provokanten Titel „Wozu Kunst?“ diskutierten die Jugendlichen vor der malerischen Kulisse der Orangerie die Hintergründe für viele der sich nicht immer selbst erschließenden Kunstwerke. Bereits im Dezember 2011 hatten sich die Jugendlichen im Rahmen des 5. Jugendsymposions zum Thema „Ästhetik“ eingehend auf den dOCUMENTA-Besuch vorbereitet. Das nächste, 7. Jugendsymposion findet vom 6. bis 9. Dezember 2012 in Kassel statt.

Über das Kasseler Jugendsymposion
Zweimal im Jahr wird Kassel zum kulturellen Begegnungspunkt, wenn rund 200 bis 250 Jugendliche aus ganz Deutschland auf den vom Bund der Freien Waldorfschulen unterstützten Jugendsymposien intensiv an aktuellen Zeitfragen arbeiten. So können die SchülerInnen und Studierenden mit wegweisenden Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur ihre Visionen teilen und lebhaft diskutieren. Dadurch soll der Wunsch und das Bedürfnis nach aktiver zivilgesellschaftlicher Beteiligung geweckt und zur Übernahme der Verantwortung für die eigenen Bildungs- und Lernprozesse angeregt werden. Die Symposien verstehen sich in diesem Sinne als Zukunftswerkstatt.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Wilfried Sommer und Dorte Pflüger (Projektkoordination)
pflueger@jugendsymposion-kassel.de
www.jugendsymposion-kassel.de