Berufliche Bildung als neue und alte Aufgabe der Waldorfschule

SchülerInnen beim Kupfertreiben

Borchen/Stuttgart/Hamburg, 28. April 2015/CU. Berufliche Bildung wird zunehmend auch an Waldorfschulen zum Thema, seit in Nordrhein-Westfalen und in Berlin Waldorf-Berufskollegs entstanden sind. Eine neue Forschungsstelle für Waldorf-Arbeitspädagogik/Berufsbildung und ein Kompetenzzentrum an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft sollen jetzt die Kollegs beraten und diese Entwicklung wissenschaftlich begleiten. 

Die Forschungsstelle wurde auf einer bundesweiten Tagung der Waldorf-Berufskollegs in der Rudolf Steiner Werkgemeinschaft e.V. Schloss Hamborn in Borchen/Westfalen vorgestellt.

Für Prof. Peter Schneider, einen der Initiatoren der Berufskollegs als neuer Form der Waldorf-Oberstufe, knüpft die Waldorfschule damit an ihren ursprünglichen pädagogischen Reformimpulsen an: „Rudolf Steiner wollte eine Schule, die auf das Leben vorbereitet. Dazu gehört auch die praktische Arbeit, was heute zunehmend aus dem Blick gerät.“ Steiner habe in der Arbeit einen wichtigen individuellen, aber auch sozialen Erfahrungsprozess gesehen: Arbeit als ein Tun für Andere. Dabei gelte es, Lernen und Arbeiten auf allen Stufen kontinuierlich miteinander zu verbinden, betont Prof. Schneider, der emeritierter Hochschullehrer der Universität Paderborn und der Alanus Hochschule ist.

Das Waldorf-Berufskolleg gibt es bereits an sechs Orten in Nordrhein-Westfalen und an der Emil Molt Akademie in Berlin in den Fachrichtungen Gestaltung, Gesundheit und Soziales, Technik sowie Wirtschaft und Verwaltung. Es führt zur Allgemeinen Fachhochschulreife und integriert eine Grundqualifikation in den verschiedenen Berufsfeldern. Durch die Verbindung von theoretischem Lernen, beruflicher Qualifikation und künstlerischem Üben wird das duale Lernen im Konzept der Waldorf-Berufskollegs zu einem „trialen“ Bildungsweg erweitert im Sinn einer ganzheitlichen Persönlichkeitsbildung.

Das Berufskolleg-Konzept der Waldorfschule trägt auch dazu bei, die allgemeine Desintegration von Lernen und praktischem Arbeiten, wie sie im gegenwärtigen Bildungssystem immer weiter voranschreite, zu überwinden. Dies betonte Hans-Georg Hutzel vom Vorstand des Bundes der Freien Waldorfschulen (BdFWS) anlässlich der Vorstellung der Forschungsstelle. Da die Waldorfpädagogik bereits in den Klassen 1 – 8 praktisch orientierte Lernprozesse integriert durch Handarbeit, Werken, Gartenbau und künstlerische Fächer, könne das Berufskolleg gut an diese Erfahrungen der Schüler anknüpfen. Wie berufspraktische Inhalte mit den künstlerischen Anteilen der Waldorfpädagogik zusammenzubringen sind, ist aus der Sicht von Hutzel eine der anstehenden Forschungsaufgaben. Hutzel leitet die Emil Molt Akademie in Berlin.

Die bundesweite Tagung der Waldorf-Berufskollegs fand am 23. April 2015 in der Rudolf Steiner Werkgemeinschaft Schloss Hamborn e.V. statt. 1932 von Siegfried Pickert (1898 – 2002) als Einrichtung für behinderte junge Menschen gegründet, ist die Werkgemeinschaft heute eine in ihrer Art einmalige  „pädagogische Provinz“, so Prof. Schneider. Sie verbindet Waldorfschule, Berufskolleg und ein Landschulheim als Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe mit einem Altenwerk, einer Reha-Klinik und verschiedenen Betrieben sowie einer biodynamischen Landwirtschaft. Derzeit leben 500 Menschen ständig auf dem Gelände von Schloss Hamborn, die Werkgemeinschaft ist der größte Arbeitgeber der Gemeinde Borchen/Westfalen.

Bund der Freien Waldorfschulen e.V.
Die derzeit 234 deutschen Waldorfschulen haben sich zum Bund der Freien Waldorfschulen e.V. mit Sitz in Stuttgart zusammengeschlossen, wo 1919 die erste Waldorfschule eröffnet wurde. Die föderative Vereinigung lässt die Autonomie der einzelnen Waldorfschule unangetastet, nimmt aber gemeinsame Aufgaben und Interessen wahr.