Die Besonderheiten des Biologieunterrichts an Waldorfschulen

In einer Waldorfschule soll das Fach Biologie den Schülern ein umfassendes Verständnis für das eigene Menschsein, die Welt des Lebendigen und das wechselseitige Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt vermitteln. Dazu behandelt der Lehrer oder die Lehrerin neben kognitiven und praktischen auch philosophische und ethische Unterrichtsinhalte. So unterstützt dieses Fach entscheidend eine gesunde Entwicklung zu einem freien, urteilsfähigen, in der Welt initiativ und verantwortungsvoll handelnden Menschen. Alles Wissen und Können sollte in die Fähigkeit münden, die Beziehungen zwischen Mensch und Natur verantwortlich zu gestalten.

Die vielseitigen Verbindungen zu den anderen naturwissenschaftlichen Fächern (Geographie, Geologie, Chemie, Physik) sind dabei einzubeziehen. In einer Zeit massiver ökologischer Katastrophen muss es ein zentrales Anliegen sein, die einzelnen Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten des Individuums aufzuzeigen und mit Beispielen aus Umwelt- und Naturschutz, ökologischer Landwirtschaft, menschenwürdiger Medizin und nachhaltigem Wirtschaften zu belegen.

Der Lehrplan der Waldorfschule im Fach Biologie umfasst den gesamten Bereich der Lebenswissenschaften: Anthropologie, Humanmedizin, Embryologie, Zoologie, Botanik, Ökologie, Zytologie, Genetik, Paläontologie und Paläoanthropologie. Ein lebendiger und zukunftsorientierter Unterricht erfordert im umfassendsten Sinne Begegnungsmöglichkeiten mit Wesen und Phänomenen aus dem Bereich des Lebendigen, also mit Pflanzen, Tieren und Menschen. Dafür sind innerhalb des jeweiligen Themas und je nach Klassenstufe konkrete Erfahrungsmöglichkeiten zu gestalten, z.B. in Form von Experimenten, Vorführungen, Exkursionen, Landbau-, Feldmess- und Sozialpraktikum oder dem Erzählen von Geschichten aus dem Alltag bzw. von besonderen Begebenheiten.

Die tägliche dreigegliederte Unterrichtsgestaltung umfasst im ersten Schritt eine konzentrierte, detaillierte und unvoreingenommene Beobachtung. Im zweiten Schritt gilt es, unter Zurückhaltung verfrühter, eventuell zu kurz greifender Erklärungen, die Vielfalt der beobachteten Phänomene zu würdigen und mündlich sachgerecht sowie gut verständlich wiederzugeben und dabei eine erste Ordnung vorzunehmen . Der dritte Schritt erfolgt in der Regel am darauffolgenden Tag, um das Gelernte über Nacht verarbeiten und damit vertiefen zu können. Nach einer erneuten Reflexion wird dann am nächsten Tag anhand einer bereits erstellten Übersicht der kausale Zusammenhang entwickelt, wobei Charakteristisches und Wesenhaftes hervortritt und in der Regel bis zu einer Begriffsbildung führen soll.

Das Berufsbild Waldorfbiologielehrer:in

Die Grundidee der Waldorfschule ist es, Schule und Unterricht so zu gestalten, dass die Heranwachsenden ihre Ideale, Fähigkeiten und Zukunftsimpulse finden und verwirklichen können. Der Unterricht an Waldorfschulen basiert auf Erleben und Erkennen und regt in den Jugendlichen den Wunsch an, den eigenen Horizont erweitern zu wollen. Diese Bestrebung fördert die Urteilsfähigkeit, -sensibilität und -sicherheit der Heranwachsenden. Schule kann dann als Begegnungsraum verstanden werden, der zu Entwicklung anregt und aus der Begegnung zwischen Lehrer:innen und Schüler:innen selbstverantwortliches Lernen entstehen lässt.

Die Aufgaben der Oberstufenlehrkraft umfassen neben der Durchführung und Organisation des Unterrichts die Betreuung einer Klasse, das Vorbereiten und Begleiten von Praktika und Klassenfahrten sowie die verantwortliche Mitarbeit in der Selbstverwaltung der Schule.

Der Biologieunterricht in der Oberstufe einer einzügigen Waldorfschule (von der 9. bis zur 12. Klasse) umfasst in der Regel pro Jahr und Klassenstufe jeweils eine bis zwei dreiwöchige Hauptunterrichtsepochen, insgesamt etwa sechs Epochen, und zusätzlich einige Fachstunden in der 12. oder 13. Klasse, wenn Biologie ein Abiturfach ist. Bei zweizügigen Schulen verdoppelt sich der Unterrichtsumfang entsprechend. In der Regel reicht das Fach Biologie für ein volles Deputat an einer Waldorfschule nicht aus. Für eine volle Stelle wird ein zweites Unterrichtsfach benötigt.

Zulassungsvoraussetzungen und Bildungsmöglichkeiten

Ein Studium oder eine Weiterbildung zum Oberstufenlehrer bzw. zur Oberstufenlehrerin an Waldorfschulen setzt immer eine Fachkompetenz voraus, d.h. als Bewerber:in benötigen Sie ein abgeschlossenes Studium im entsprechenden Unterrichtsfach. Das Studium oder die Weiterbildung umfasst dann neben Fachdidaktik und Methodik weitere Inhalte wie Kenntnisse der Allgemeinen Menschenkunde Rudolf Steiners, die sich mit der physiologisch-körperlichen, emotionalen und kognitiven Entwicklung in Kindheit und Jugend beschäftigt, um so zu einem vertieften Verstehen der Heranwachsenden zu gelangen. Weitere Schwerpunkte sind das Entdecken der eigenen pädagogischen Fähigkeiten und die Weiterentwicklung Ihrer Persönlichkeit, um der Entwicklung junger Menschen gerecht werden zu können. Denn die besten Entwicklungschancen für die Schülerinnen und Schüler bietet die Lehrkraft, die sich selbst auf den Weg gemacht hat: hin zu einem Verständnis menschlicher Entwicklung, zu künstlerischer Tätigkeit und vor allem zu sich selbst.

Ausbildungsmöglichkeiten finden sich an verschiedenen Hochschulen und Seminaren in ganz Deutschland.

Einstellungsvoraussetzungen:

  • Abgeschlossenes Biologiestudium (Lehramt, Master oder Diplom) oder verwandte Studiengänge
  • Die staatliche Lehrgenehmigung erfolgt spezifisch je nach Bundesland und muss deshalb individuell geprüft werden.
  • Abgeschlossene waldorfpädagogische Zusatzausbildung (kann evtl. auch berufsbegleitend nachgeholt werden)

Hier können Sie eine aktuelle Auswahl der offenen Stellen für Biologielehrer:innen an Waldorfschulen finden.