Die Besonderheiten des Fremdsprachenunterrichts an Waldorfschulen

Wie alle anderen Fächer, die an einer Waldorfschule unterrichtet werden, soll auch der Fremdsprachenunterricht zur ganzheitlichen Entwicklung des Menschen beitragen. Indem neue Wege erschlossen werden, die Welt wahrzunehmen und zu empfinden, setzt das Erlernen neuer Sprachen einen Verwandlungs- und Entwicklungsprozess in Gang, der das Selbstverständnis und die eigene Identität bereichert. Der Fremdsprachenunterricht soll grundsätzlich – vergleichbar mit dem Erwerb der Muttersprache – möglichst in einem reichen sprachlichen Umfeld voller Aktion und Interaktion stattfinden, wobei die Aufmerksamkeit auf die gemeinsamen Interessen und Erfahrungen der jeweiligen Altersstufe gelenkt wird. Waldorfschulen beginnen bereits in der 1. Klasse mit zwei Fremdsprachen, neben Englisch bieten die einzelnen Schulen z.B. Französisch, Russisch oder Spanisch an.

Ein übergreifendes Ziel der Waldorfpädagogik ist es, die affektive und kognitive Anteilname am Lerninhalt zu wecken, so dass daraus eine individuelle und willentliche Beschäftigung mit den Unterrichtsinhalten hervorgehen kann. Dementsprechend beschäftigen sich die Oberstufenschüler:innen sowohl mit authentischer und altersgemäßer Literatur aus verschiedenen Epochen als auch mit einem breiten Spektrum von Sachtexten. Theaterprojekte und dramatische Arbeit sowie das Anleiten eines kreativen Schreibens stellen eine wesentliche Unterstützung dar, um die fremde Sprache und Literatur stärker zu erleben. Dadurch ergibt sich insgesamt eine «primäre» Erfahrung der ästhetischen und kulturellen Aspekte der jeweiligen Fremdsprache. Hieraus können individuelle und sinnstiftende Entwicklungs- und Verwandlungsprozesse entstehen, die neue Perspektiven auf die Welt eröffnen.

Die Heranwachsenden begegnen der Fremdsprache entsprechend nicht durch Lehrmaterial und Methoden, die vordringlich auf pragmatische, sprachliche Ziele ausgerichtet sind, sondern sie erfahren über Texte, Gespräche und Aktivitäten innere Gefühlsregungen wie Interesse, Neugier, Freude oder Überraschung und erhalten so beständig die Möglichkeit der persönlichen Bildung im und durch das Medium der Fremdsprache.

Das Berufsbild Waldorffremdsprachenlehrer:in

Die Grundidee der Waldorfschule ist es, Schule und Unterricht so zu gestalten, dass die Heranwachsenden ihre Ideale, Fähigkeiten und Zukunftsimpulse finden und verwirklichen können. Der Unterricht basiert auf Erleben und Erkennen und regt in den Jugendlichen den Wunsch an, den eigenen Horizont erweitern zu wollen und fördert ihre Urteilssensibilität und -sicherheit. Schule kann dann als Begegnungsraum verstanden werden, der zu Entwicklung anregt und aus der Begegnung zwischen Lehrer:innen und Schüler:innen selbstverantwortliches Lernen entstehen lässt.

Fremdsprachenlehrer:innen an Waldorfschulen benötigen neben fundiertem fachlichen Wissen und sicheren Sprachkenntnissen auch die Fähigkeit der künstlerischen Unterrichtsgestaltung, um langfristige Entwicklungsprozesse der Schüler:innen begleiten zu können. Neben der spezifischen Waldorffremdsprachenmethodik- und didaktik  basiert der Unterricht auf  einer vertieften Kenntnis der Allgemeinen Menschenkunde Rudolf Steiners, die sich mit der physiologisch-körperlichen, emotionalen und kognitiven Entwicklung in Kindheit und Jugend beschäftigt. Der Fremdsprachenunterricht an Waldorfschulen soll Prozesse ermöglichen, die den ganzen Menschen betreffen und dabei bildend und verwandelnd wirken. Die dadurch gewonnene Erweiterung und Intensivierung der eigenen Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeiten spielt in der konkreten Unterrichtspraxis dementsprechend eine entscheidende Rolle.

Die Aufgaben der Fremdsprachenlehrkraft an Waldorfschulen sind sehr vielseitig, denn die Möglichkeiten des Unterrichtens erstrecken sich über alle Klassenstufen. So können Fremdsprachenlehrer:innen sowohl in der Oberstufe und als Abiturprüfer:innen als auch in der Unterstufe eingesetzt werden. Je nach Bedarf der Schule und entsprechend den Voraussetzungen der Lehrkraft kann das Aufgabengebiet variieren. Es umfasst in der Regel neben der Durchführung und Organisation des Unterrichts auch die Zusammenarbeit mit anderen Kolleg:innen aus dem Fremdsprachenbereich sowie die verantwortliche Mitarbeit in der Selbstverwaltung der Schule. Bei einer Tätigkeit in der Oberstufe kann auch die Betreuung einer Klasse, die Organisation von Klassenfahrten und die Betreuung von Praktika hinzukommen.

Zulassungsvoraussetzungen und Bildungsmöglichkeiten

Ein Studium oder eine Weiterbildung zur Fremdsprachenlehrkaft an Waldorfschulen setzt natürlich das Beherrschen der Sprache voraus. Nach dem Studium wird dann, entsprechend den individuellen Voraussetzungen, eine Lehrgenehmigung für die jeweiligen Klassenstufen erteilt. Das Studium oder die Weiterbildung umfasst neben Fachdidaktik und Methodik weitere Ziele, wie ein vertieftes Verstehen der Kinder, das Entdecken der eigenen pädagogischen Fähigkeiten und die persönliche Weiterentwicklung, um der Entwicklung junger Menschen dienen zu können. Denn die besten Entwicklungschancen für die Schülerinnen und Schüler bietet die Lehrkraft, die sich selbst auf den Weg gemacht hat: hin zu einem Verständnis menschlicher Entwicklung, zu künstlerischer Tätigkeit und vor allem zu sich selbst.

Ausbildungsmöglichkeiten finden sich an verschiedenen Hochschulen und Seminaren in ganz Deutschland.

Einstellungsvoraussetzungen für den Unterricht der Klassen 1 – 8  (Klassenlehrer:in mit Nebenfach Fremdsprache):

  • CPE, DALF oder DELE auf C-1-Niveau
  • Fachspezifische Berufsqualifikation (Klassenlehrer:in und Wahlfach Fremdsprache)
  • Waldorfpädagogische Zusatzausbildung (kann evtl. auch berufsbegleitend nachgeholt werden)

für den Unterricht der Klassen 1 – 10:

  • CPE, DALF oder DELE auf C-2-Niveau
  • Pädagogisches Studium (z. B. an einer pädagogischen Hochschule)
  • Waldorfpädagogische Zusatzausbildung (kann evtl. auch berufsbegleitend nachgeholt werden)

für den Unterricht der Klassen 1 – 12:

  • CPE, DALF oder DELE auf C-2-Niveau
  • Abgeschlossenes Hochschulstudium (Romanistik, Anglistik, Hispanistik, etc.)
  • Waldorfpädagogische Zusatzausbildung (kann evtl. auch berufsbegleitend nachgeholt werden)

Hier können Sie eine aktuelle Auswahl der offenen Stellen für Fremdsprachenlehrer:innen an Waldorfschulen finden.