Die Besonderheiten des Geographieunterrichts an Waldorfschulen

Schon Immanuel Kant erkannte wegweisend: „Nichts bildet und kultiviert den gesunden Verstand mehr als Geographie.“ Und auch für Rudolf Steiner nahm der Geographieunterricht in der Waldorfschule eine wichtige Rolle ein, da durch ihn „...die Errungenschaften des übrigen Unterrichts (…) wie in eins zusammenfließen“ sollen, um damit „Einheit in den übrigen Unterricht zu bringen“. Und tatsächlich gibt es kaum ein anderes Unterrichtsfach, das so viele andere Fächer streift oder teilweise mit umfasst.

Im Mittelpunkt des Geographieunterrichts in der Oberstufe steht durchgängig die Erde als Ganzes. Es beginnt in der 9. Klasse mit den physischen Gegebenheiten der Gesteinswelt, dem Aufbau der Erdkruste, mit Erdbeben, Vulkanismus und Gebirgsbildung, um dann in der 10. Klasse mit den Lebensvorgängen der Erde fortgesetzt zu werden, u.a. den rhythmischen Prozessen und Bewegungen des Erdinnern, der Erdkruste sowie der Wasser- und Lufthülle. Die Erde erscheint mit ihren vielgestaltigen Phänomenen somit als ein dynamischer Organismus. In der 11. und 12. Klasse schließen sich Themen der Umgestaltung der Erde durch den Menschen (Anthropogeographie) an. Das können Aspekte der Orientierung in Raum und Zeit sowie verschiedene Weltbilder, ökologische Fragestellungen oder Chancen und Risiken einer globalisierten Weltwirtschaft sein. Aufgrund solider Grundlagenkenntnisse können die Schülerinnen und Schüler dann gemeinsam mit Ihnen Urteile über einen verantwortlichen Umgang mit den naturräumlichen Ressourcen erarbeiten (z.B. Schutz der Ozeane und Regenwälder, Klimaschutz und die Zusammenhänge) sowie Möglichkeiten einer gerechten Weltwirtschaftsordnung, bei der die kulturellen Eigenheiten und Bedürfnisse der verschiedenen Länder und Ethnien gewahrt bleiben. So können Impulse für eine soziale Zukunft einer verantwortlich gestalteten gemeinsamen weiteren Evolution von Erde und Mensch entstehen.

Das Berufsbild Waldorfgeographielehrer:in

Die Grundidee der Waldorfschule ist es, Schule und Unterricht so zu gestalten, dass die Heranwachsenden ihre Ideale, Fähigkeiten und Zukunftsimpulse finden und verwirklichen können. Der Unterricht an Waldorfschulen basiert auf Erleben und Erkennen und regt in den Jugendlichen den Wunsch an, den eigenen Horizont erweitern zu wollen. Diese Bestrebung fördert die Urteilsfähigkeit, -sensibilität und -sicherheit der Heranwachsenden. Schule kann dann als Begegnungsraum verstanden werden, der zu Entwicklung anregt und aus der Begegnung zwischen Lehrer:innen und Schüler:innen selbstverantwortliches Lernen entstehen lässt.

Die Aufgaben der Oberstufenlehrkraft umfassen neben der Durchführung und Organisation des Unterrichts die Betreuung einer Klasse, das Vorbereiten und Begleiten von Praktika und Klassenfahrten sowie die verantwortliche Mitarbeit in der Selbstverwaltung der Schule.

Der Geographieunterricht in der Oberstufe einer einzügigen Waldorfschule (von der 9. bis zur 12. Klasse) umfasst in der Regel pro Jahr jeweils eine dreiwöchige Hauptunterrichtsepoche, insgesamt also vier Epochen, und zusätzlich einige Fachstunden in der 12. oder 13. Klasse, wenn Geographie ein Abiturfach ist. Bei zweizügigen Schulen verdoppelt sich der Unterrichtsumfang entsprechend. In der Regel reicht das Fach Geographie für ein volles Deputat an einer Waldorfschule nicht aus. Für eine volle Stelle wird ein zweites Unterrichtsfach benötigt.

Zulassungsvoraussetzungen und Bildungsmöglichkeiten

Ein Studium oder eine Weiterbildung zum Oberstufenlehrer bzw. zur Oberstufenlehrerin an Waldorfschulen setzt immer eine Fachkompetenz voraus, d.h. als Bewerber:in benötigen Sie ein abgeschlossenes Studium im entsprechenden Unterrichtsfach. Das Studium oder die Weiterbildung umfasst dann neben Fachdidaktik und Methodik weitere Inhalte wie Kenntnisse der Allgemeinen Menschenkunde Rudolf Steiners, die sich mit der physiologisch-körperlichen, emotionalen und kognitiven Entwicklung in Kindheit und Jugend beschäftigt, um so zu einem vertieften Verstehen der Heranwachsenden zu gelangen. Weitere Schwerpunkte sind das Entdecken der eigenen pädagogischen Fähigkeiten und die Weiterentwicklung Ihrer Persönlichkeit, um der Entwicklung junger Menschen gerecht werden zu können. Denn die besten Entwicklungschancen für die Schülerinnen und Schüler bietet die Lehrkraft, die sich selbst auf den Weg gemacht hat: hin zu einem Verständnis menschlicher Entwicklung, zu künstlerischer Tätigkeit und vor allem zu sich selbst.

Ausbildungsmöglichkeiten finden sich an verschiedenen Hochschulen und Seminaren in ganz Deutschland.

Einstellungsvoraussetzungen:

  • Abgeschlossenes Geographiestudium (Lehramt, Master oder Diplom) oder verwandte Studiengänge.
  • Die staatliche Lehrgenehmigung erfolgt jedoch spezifisch je nach Bundesland unterschiedlich und muss deshalb individuell geprüft werden.
  • Waldorfpädagogische Zusatzausbildung (kann evtl. auch berufsbegleitend nachgeholt werden)

Hier können Sie eine aktuelle Auswahl der offenen Stellen für Geographielehrer:innen an Waldorfschulen finden.