Integrative Waldorfschule von Bundesregierung ausgezeichnet

Emmendingen/Stuttgart, 13.07.2011/CU. Die Integrative Waldorfschule in Emmendingen (IWE) bei Freiburg ist vom Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU), anlässlich ihrer Aufnahme in die Inklusionslandkarte heute mit einer Urkunde ausgezeichnet worden. Eine Sprecherin des Bundes der Freien Waldorfschulen (BdFWS) forderte eine angemessene Finanzgrundlage für die neue inklusive Pädagogik.

„Inklusion heißt, dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammen leben, zusammen spielen, arbeiten und lernen wie hier. Wir wollten mit dieser Auszeichnung zeigen, dass das nicht nur ein Traum ist, dass es geht“, begründete der Behindertenbeauftragte Hubert Hüppe die Auszeichnung für die Integrative Waldorfschule in Emmendingen. Wenn behinderte Menschen benachteiligt würden, liege das in erster Linie daran, dass ihre Mitbürger ohne Behinderung nicht gelernt hätten, mit ihnen zu leben.
Der Vorstand des BdFWS hat die Auszeichnung der IWE begrüßt: „Wir freuen uns über diese Ermutigung unserer Kollegen in Emmendingen, die hier Pionierarbeit leisten“, betonte Birgitt Beckers, die im Bundesvorstand für das Thema Inklusion zuständig ist. „Die Waldorfpädagogik bietet viele Wege, um die kindliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern. Sie ist daher besonders geeignet, um das Thema Inklusion auch in Deutschland wirkungsvoll voranzubringen“, so Beckers weiter. Dies lasse sich anhand der Praxis der bisher existierenden inklusiven Waldorfschulen belegen. Beckers forderte die neue badenwürttembergische Landesregierung auf, in der Frage der inklusiv arbeitenden Freien Schulen andere Wege zu beschreiten als ihre Vorgängerin. „Dem Anspruch der Inklusion müssen auch Taten folgen. Es kann nicht sein, dass ein wegweisendes Projekt wie die Integrative Waldorfschule Emmendingen ihre ausreichende finanzielle Ausstattung immer vor Gericht erstreiten muss.“
Wegen der unzureichenden Landeszuschüsse musste die IWE schon dreimal vor Gericht ziehen. Auch die Anerkennung als Integrative Schule gelang 2009 nur mithilfe der Justiz. "Trotz anderslautender Bekenntnisse der Politik müssen auch die Eltern der behinderten Kinder immer wieder um ihre Rechte kämpfen", betonte Michael Löser, der Geschäftsführer der IWE. Es sei keineswegs „normal“, dass behinderte Kinder mit nicht-behinderten zusammen unterrichtet würden. Hier sei in Baden-Württemberg noch viel zu tun, um die Ziele der UN-Behindertenrechskonven- tion zu realisieren.
Nach der auch in deutsches Recht umzusetzenden UN-Behindertenrechtskonvention ist die jeweilige Landesregierung verpflichtet, „angemessene Vorkehrungen“ zu treffen, um jedem Kind mit Behinderungen den Zugang zu einer allgemeinen Schule zu ermöglichen und ihm dort die notwendige Förderung zuteil werden zu lassen. Die IWE besteht seit 1995 und ist eine der wenigen Waldorfschulen, in denen das von der UN-Behindertenrechtskonvention geforderte Prinzip der Inklusion bereits umgesetzt wird: Von den 280 Schülern sind 48 Kinder mit Behinderungen und besonderem Förderbedarf.
Die Inklusion der besonderen Schüler in eine Regelklasse setzt Teamteaching von zwei Lehrern voraus, von denen einer eine sonderpädagogische Ausbildung hat. Außerdem dürfen die Klassen von inklusiven Schulen nicht zu groß sein. Erhöhter Personalaufwand sowie Notwendigkeit der Begrenzung der Klassengrößen stellen Freie Schulen, die dieses Konzept verwirklichen wollen, vor fast unlösbare Pro- bleme.
Mit der Anfang des Jahres eingeführten Inklusionslandkarte möchte die Bundes- regierung positive Beispiele für die Einbeziehung behinderter Menschen öffentlich mehr publik machen. Es gebe bereits viele gute Beispiele für Inklusion, nur würden sie in der Öffentlichkeit zu wenig oder nur im regionalen Umfeld wahrgenommen, heißt es in der Begründung zur Inklusionslandkarte (www.inklusionslandkarte.de). Durch die offizielle Aufnahme in die Landkarte und deren Veröffentlichung soll sich dies ändern. Inklusion ist der Schlüsselbegriff der UN-Behindertenrechtskonvention aus  dem Jahr 2009, die eine selbstbestimmte Teilhabe behinderter Menschen am Alltagsleben einfordert.

Literaturhinweis: Thomas Maschke (Hrsg): „...auf dem Weg zu einer Schule für alle –
Integrative Praxis an Waldorfschulen“, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2010,
ISBN-13: 978-3-7725-2514-8

Über den Bund der Freien Waldorfschulen e.V.
Die deutschen Waldorfschulen haben sich zum Bund der Freien Waldorfschulen e.V. mit Sitz in Stuttgart zusammengeschlossen. Die föderative Vereinigung lässt die Autonomie der einzelnen Waldorfschule unangetastet, nimmt aber gemeinsame Aufgaben und Interessen wahr. Korporative Mitglieder sind derzeit 225 Waldorf- und Rudolf-Steiner-Schulen sowie elf Seminare/Hochschulen für Waldorfpädagogik. Daneben gibt es rund 1.900 persönliche Mitglieder.
Die erste Waldorfschule wurde 1919 in Stuttgart eröffnet. Nach über 90 Jahren Waldorfpädagogik gibt es heute weltweit über 1.000 Waldorfschulen sowie 2.000 Kindergärten und Förder-Einrichtungen in allen Erdteilen, darunter auch in Israel, Südafrika und Ostasien.