Welche Bereiche werden umfasst?
Der Waldorf-Deutschunterricht geht insofern immer von den latenten, existentiellen Fragen der jungen Menschen aus. Er behandelt in der 9. Klasse anhand von Literatur der deutschen Klassik die Frage nach dem Verhältnis von Ideal und Realität sowie anhand von komischen und tragischen Texten die Extremzustände des menschlichen Seelenlebens und das Phänomen des Perspektivwechsels. In der 10. Klasse geht es um die Ursprünge und Entwicklung der literarischen Gattungen und um Grundlagen der Poetik und Stilistik, während in der 11. Klasse Fragen zur biographischen Entwicklung behandelt werden. In der 12. Klasse gelangt der Unterricht dann zu einem geistesgeschichtlich motivierten literaturhistorischen Gesamtüberblick, das 13. Schuljahr ist der Vorbereitung auf das Abitur bzw. (an manchen Schulen) auf die Fachhochschulreife vorbehalten.
Schule als Begegnungsraum
Die Grundidee der Waldorfschule ist es, Schule und Unterricht so zu gestalten, dass die Heranwachsenden ihre Ideale, Fähigkeiten und Zukunftsimpulse finden und verwirklichen können. Der Unterricht basiert auf Erleben und Erkennen und regt in den Jugendlichen den Wunsch an, den eigenen Horizont erweitern zu wollen und fördert ihre Urteilssensibilität und -sicherheit. Schule kann dann als Begegnungsraum verstanden werden, der zu Entwicklung anregt und aus der Begegnung zwischen Lehrer:innen und Schüler:innen selbstverantwortliches Lernen entstehen lässt.
Lehrplan Deutsch
Die Aufgaben der Oberstufenlehrkraft umfassen neben der Durchführung und Organisation des Unterrichtes, die Betreuung einer Klasse, Klassenfahrten, die Organisation von Praktika sowie die verantwortliche Mitarbeit in der Selbstverwaltung der Schule.
Der Literatur- und Deutschunterricht an Waldorfschulen hat zum Ziel, den Schülerinnen und Schülern jeweils altersgemäße sprachliche Äußerungen und Erfahrungen zu ermöglichen, so dass sie anhand von sprachpraktischen Übungsfeldern sowie von Lektüreerfahrungen zu einem authentischen Stil finden und auch ein differenziertes ästhetisches Empfinden für die Sprach- und Denkgesten der von ihnen rezipierten Texte entwickeln können. Hierfür ist es wesentlich, dass die Texterschließung und -produktion nicht von einem Dualismus zwischen Form und Inhalt des Dargestellten ausgeht, sondern beides als Einheit und unverwechselbaren Ausdruck des Autors oder der Autorin erfasst. Um diesem möglichst unverstellt begegnen zu können, wird in der Waldorfschule weitgehend die Lektüre von Ganzschriften angestrebt, da nur diese eine umfassende und nicht funktionalistisch einengende Begegnung mit der Sprach- und Gedankenwelt des Schriftstellers oder der Schriftstellerin ermöglicht.
Fähigkeit sich im Mündlichen und Schriftlichen auszudrücken
Zur Schulung des mündlichen Ausdrucksvermögens der Jugendlichen soll eine ausgeprägte Referats- und Diskussionskultur dienen, der im Unterricht ein hoher Stellenwert zukommt. Außerdem soll durch biographische Darstellungen und Erschließungen von Literatur die eigenständige Urteilsbildung der Schülerinnen und Schüler gefördert werden, aber auch die Fähigkeit, sich im Mündlichen und Schriftlichen auszudrücken. Durch das Medium der Literatur ist so eine tiefgehende Begegnung mit eigenen Existenzfragen ebenso möglich wie das Erleben entfernter und zunächst fremd erscheinender Gedanken-, Gefühls- und Formwelten.
Selbstbestimmter Umgang mit Medien
Der starken Verbreitung und Bedeutung moderner technischer Medien in der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen entsprechend muss sich der Literaturunterricht auch einer zeitgemäßen Medienerziehung verpflichtet fühlen. Dabei sollten eine kritisch-konstruktive Haltung und ein selbstbestimmter Umgang mit den Medien das pädagogische Ziel sein. Diesem kann ein phänomenologisch orientierter Vergleich der Wirkung der verschiedenen Medien dienen, der auch philosophische Ebenen mit einschließt (beispielsweise: Wie wirkt sich der zunehmende Anteil externer Gedächtnisleistungen in Form von Datenspeichern auf unser Weltverständnis und unseren Weltzugang aus?).
Schließlich stellt die Fähigkeit zur sachlich angemessenen, transparenten und die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler fördernden Korrektur, Bewertung und Evaluation von schriftlichen und mündlichen Leistungen ein wesentliches Aufgabenfeld der Literatur- und Deutschlehrkraft dar.
Deutschunterricht in der Oberstufe
Der Deutschunterricht in der Oberstufe einer einzügigen Waldorfschule (von der 9. bis zur 12. Klasse) umfasst in der Regel pro Jahr jeweils zwei (in der 10. Jahrgangsstufe meist drei) dreiwöchige Hauptunterrichtsepochen, insgesamt also neun Epochen, und zusätzlich ganzjährig durchlaufende Fachstunden in der 9.-13. Klasse. Bei zweizügigen Schulen verdoppelt sich der Unterrichtsumfang entsprechend. In der Regel kann das Fach Deutsch für ein volles Deputat an einer Waldorfschule ausreichen. Dennoch ist sehr zu einem zweiten Unterrichtsfach zu raten, da dies eine größere Vielfalt in der unterrichtlichen Tätigkeit und eine höhere Flexibilität in der Stundenplangestaltung ermöglicht.
Zulassungsvoraussetzungen und Bildungsmöglichkeiten
Ein Studium oder eine Weiterbildung zum Oberstufenlehrer bzw. zur Oberstufenlehrerin an Waldorfschulen setzt immer eine Fachkompetenz voraus, d.h. als Bewerber:in benötigen Sie ein abgeschlossenes Studium in dem entsprechenden Unterrichtsfach. Das Studium oder die Weiterbildung umfasst dann neben Fachdidaktik und Methodik weitere Inhalte wie Kenntnisse der Allgemeinen Menschenkunde Rudolf Steiners, die sich mit der physiologisch-körperlichen, emotionalen und kognitiven Entwicklung in Kindheit und Jugend beschäftigt, um so zu einem vertieften Verstehen der Heranwachsenden zu gelangen. Weitere Schwerpunkte sind das Entdecken der eigenen pädagogischen Fähigkeiten und die Weiterentwicklung Ihrer Persönlichkeit, um der Entwicklung junger Menschen dienen zu können. Denn die besten Entwicklungschancen für die Schülerinnen und Schüler bietet die Lehrkraft, die sich selbst auf den Weg gemacht hat: hin zu einem Verständnis menschlicher Entwicklung, zu künstlerischer Tätigkeit und vor allem zu sich selbst.
Ausbildungsmöglichkeiten finden sich an verschiedenen Hochschulen und Seminaren in ganz Deutschland.
Einstellungsvoraussetzungen:
- Abgeschlossenes Germanistikstudium (Lehramt, Master oder Diplom) oder verwandte Studiengänge (z.B. Komparatistik, Deutsch als Zweitsprache)
- Die staatliche Lehrgenehmigung erfolgt spezifisch je nach Bundesland anders und muss deshalb individuell geprüft werden.
- Abgeschlossene waldorfpädagogische Zusatzausbildung (kann evtl. auch berufsbegleitend nachgeholt werden)
Hier können Sie eine aktuelle Auswahl der offenen Stellen für Deutschlehrer:innen an Waldorfschulen finden.

